Das Tal der Ahnungslosen


Das war die verleumderische Bezeichnung des Dresdner Gebiets, in dem der Empfang des Westfernsehens bis 1989 äußerst schwierig war. Klar, stimmt schon teilweise, die neuesten Lügen erfuhren dessen Bewohner erst mit Verzögerung. Andererseits ist der Begriff Quatsch. Schließlich gibt's noch Radio, und die Westsender konnten auf Kurz- und Mittelwelle problemlos, auf UKW mit mäßigem Aufwand empfangen werden. Außerdem konnten sich DDR-Bürger, beispielsweise im Unterschied zu Hartz-IV-Opfern, jederzeit frei im Lande bewegen und woanders westfernsehen, wenn das ihre Seligkeit war. Bei genauer Betrachtung existierte also kein „Tal der Ahnungslosen".

Jetzt gibt's das Tal der Ahnungslosen aber. Sogar im doppelten Sinn. Trotz und gerade wegen des im Überfluß verfügbaren Angebots der Kapitalistenmedien.

Man muß nur das Programmangebot des digitalen terrestrischen Fernsehens (DVB-T) in Dresden mit anderen Regionen vergleichen. Das ist ja das einzige Angebot, 12 Sender umfassend, welches man ohne Zusatzkosten zur GEZ-Abzocke empfangen kann. In westdeutschen Gebieten werden wesentlich mehr Kanäle angeboten, auch massenweise private. Ob hier die Kabelnetz-Lobby ihre Pfoten drin hat oder andere Interessen eine Rolle spielen, ist dabei erst mal uninteressant.

Klar sind auch die Privaten Kapitalistenmedien. Aber die hier in Dresden angebotenen Programme sind allesamt sogenannte öffentlich-rechtliche, verbreiten also die staatliche Propaganda der BRD und des Euroimperiums.
Insbesondere die Spielfilme, welche ja viele Zuschauer anziehen, sind überwiegend neue BRD-Produktionen. Über die Probleme von Fürsten, Großbauern, Politikern, Anwälten, Bauunternehmern, Boutiquebesitzern usw.. Proletarier kommen da höchstens als Verbrecher oder anderweitig fragwürdige und primitive Gestalten vor. Ach ja, die Hetzfilme gegen die DDR („Die Frau vom Checkpoint Charlie") und die Beschönigung des faschistischen Deutschen Reiches („Die letzten Tage der Sophie Scholl", „Der Untergang") nicht zu vergessen. Übler bewußtseinsverändernder Schrott, den sich die Leute nur antun, weil sie keine Alternative haben und weil der Werbeflügel der bürgerlichen Propagandisten ihn anpreist.

Die Privaten hingegen werden nicht von den Bundesinsassen durch die GEZ zwangsgesponsert, sondern brauchen auch attraktive Angebote wie Verfilmungen der Weltliteratur und ältere Filme, die zu einer Zeit entstanden, als der Kapitalismus noch friedlich und sozial tun mußte, weil ein mächtiges sozialistisches Gegenüber existierte. In solchen Filmen werden deshalb auch ganz andere Werte und Ideale vermittelt als heute. Und noch etwas vermitteln die Privaten oft: die Sichtweise der US-Imperialisten, die ja denen der Euroimperialisten zunehmend konträr entgegensteht.

Insofern kann man schon sagen, daß der Dresdner Raum zwar zu DDR-Zeiten kein Tal der Ahnungslosen war, aber heute vielfach ist. Gerade für die armen Bevölkerungsschichten, denen in ihren Wohnhäusern das Anbringen von Satellitenanlagen verwehrt wird und die sich den Empfang über Kabelnetz nicht leisten können oder wollen.

Ich sprach aber von einem doppelten Sinn. Denn ein weiteres Tal der Ahnungslosen ist viel umfassender. Alle Rundfunk- und Fernsehsender sind Kapitalistenmedien. Informatorisch existiert keine nennenswerte Gegenseite mehr, in der ganzen BRD nicht, in ganz Europa nicht, und global nur in wenigen Gebieten. Ausgerechnet Jene, die sich über ein angebliches Tal der Ahnungslosen zu DDR-Zeiten künstlich aufregen, leben in seiner Maxiausgabe. Und ausgerechnet im Raum Dresden sieht's mit der Informationsvielfalt sogar besonders finster aus, selbst für BRD-Verhältnisse. Das „Tal der Ahnungslosen" wurde 1989 nicht etwa beseitigt, sondern genau dort geschaffen, wo es vorher angeblich war.

Diese Erfahrung können wir ja täglich in Gesprächen mit den Ahnungslosen machen. Sie wissen nichts von den Aggressionskriegen der BRD, glauben an Aufschwung und rückläufige Arbeitslosigkeit, einige fühlen sich von Terroristen bedroht ... Ja, der Begriff ist durchaus zutreffend.

Aber Jeder, der nicht ahnungslos bleiben will, hat dennoch die Möglichkeit, sich zu informieren. Z.B. über Zeitungen und Zeitschriften wie insbesondere die Tageszeitung "junge Welt", die auch online fast vollständig abrufbar ist (junge Welt), aber auch die offen-siv, die Trotz Alledem, den RotFuchs und Ähnliche. Nicht alle immer perfekt (außer der Trotz Alledem, versteht sich ;-)), aber eine unschätzbare Hilfe auf dem Weg aus der Ahnungslosigkeit.

Insofern muß ich die Aussage, die Erde sei unter dominierender totalitärer Diktatur des Finanzkapitals weitgehend ein Tal der Ahnungslosen, relativieren. Informationen jenseits der herrschaftlichen Propaganda sind für die Meisten, die sie zur Kenntnis nehmen wollen, auch verfügbar. Insbesondere in den imperialistischen Hauptstaaten bleibt nur der ahnungslos, der ahnungslos bleiben will.

Wir werden auch weiterhin alles uns Mögliche dagegen tun.

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